Behinderungsanzeige für Bauunternehmen wegen Corona

Aufgrund der aktuellen Situation im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, sind zahlreiche Unternehmen erheblichen Unsicherheitsfaktoren ausgesetzt. Hierunter fällt auch die Baubranche, für die es die Möglichkeit einer Behinderungsanzeige gibt.

Hierfür bedarf es jedoch diverser Voraussetzungen:

1. Vorliegen höherer Gewalt oder unabwendbare Umstände

Ob im vorliegenden Fall höhere Gewalt oder unabwendbare Umstände vorliegen, regelt bei Verträgen, denen die VOB/B zugrunde liegt, § 6 Abs. 2 Nr. 1 c) VOB/B.

Unter „höhere Gewalt“ versteht die Rechtsprechung ein von außen auf den Betrieb einwirkendes außergewöhnliches Ereignis, das unvorhersehbar ist, selbst bei Anwendung äußere Sorgfalt ohne Gefährdung des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmens nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit von dem Unternehmer in Rechnung zu stellen und mit in Kauf zu nehmen ist.

Eine Pandemie, die nicht vorhersehbar gewesen ist, ist als solche unter dem Begriff der höheren Gewalt zu fassen.

Unter den Begriff „unabwendbare Umstände“ sind solche Ereignisse zu fassen, die nach menschlicher Einsicht und Erfahrung in dem Sinne unvorhersehbar sind, sodass die Auswirkungen trotz wirtschaftlich erträglicher Mittel durch die äußerste nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt nicht verhütbar oder in seinen Wirkungen bis auf ein erträgliches Maß unschädlich zu machen sind.

Die Corona-Pandemie dürfte jedenfalls für Verträge, bei denen der Vertragsschluss bis Ende Januar 2020 (Ausrufen der internationalen Gesundheitsnotlage durch die WHO am 30.01.2020) erfolgt ist, ein solches unvorhersehbares, außergewöhnliches Ereignis in diesem Sinne darstellen.

2. Ausmaß der Konsequenzen

Eine Verlängerung der Ausführungsfristen kann nur begründet werden, wenn weitgehende Ausfälle und Quarantänemaßnahmen vorliegen, die sich auf einen Großteil der Belegschaft auswirken und mit denen der Auftragnehmer (Bauunternehmen) nicht zu rechnen hatte.

Entsprechendes gilt für Lieferengpässe. Es muss nachgewiesen werden, dass aufgrund der Corona-Pandemie die Beschaffung notwendiger Materialien tatsächlich verhindert oder erschwert wird.

3. Schadensersatzforderungen

Eine etwaige Entschädigung des Bauunternehmers bzw. die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wird am Verschulden des Auftraggebers scheitern. Dies gilt auch für etwaige Ansprüche des Auftraggebers gegen den Bauunternehmer.

4. Kündigungsmöglichkeiten

Die Kündigungsmöglichkeit aufgrund der bestehenden Corona-Pandemie kann für beide Parteien gem. § 6 Abs. 7 S. 1 VOB/B erst dann bejaht werden, wenn die Unterbrechung der Bauausführung länger als drei Monate andauert.

Im Falle des Vorliegens höherer Gewalt und mangels Verschulden, dürften Entschädigung-oder Schadensersatzansprüche nicht zu begründen sein, wenn nicht neben der Corona-Pandemie weitergehende Umstände hinzutreten, die auf ein Verschulden einer Partei schließen lässt.

Ob im Einzelfall eine Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund besteht, muss individuell geprüft werden. Voreilige Kündigungen sollten jedoch aufgrund der finanziellen Folgen zwingend vermieden werden.

5. Umgang bei Neuverträgen

Die bei höherer Gewalt und unabwendbare Umstände vorauszusetzende Unvorhersehbarkeit dürfe inzwischen nicht mehr gegeben sein.

Es sollten daher zur Vermeidung von Streitigkeiten bei aktuell abzuschließenden Verträgen gesonderte Regelungen zu Ausführungsfristen, etwaigen Preissteigerungen oder ähnlichem getroffen werden.